Urgetreide – mehr als ein Trend

Urgetreide ist eigentlich ein irreführender Begriff. Denn so ur-alt ist es gar nicht, das Getreide. Alles begann mit Gräsern. Mit den sogenannten Süßgräsern, die aus rund zehntausend unterschiedliche Arten bestehen und deren Samen von Menschen als Nahrung genutzt wurden.

Die Wiege des Urgetreides

Im „Fruchtbaren Halbmond“, einer Region im Nahen Osten, die sich vom Persischen Golf im Süden des heutigen Irak, über den Norden von Syrien, den Libanon, Israel, Palästina und Jordanien erstreckt, fingen die Menschen vor etwa 12.000 Jahren an Pflanzen gezielter anzubauen. Wenn man sich dieses Band auf einer Karte anschaut, erkennt man die Form eines Halbmonds. 

Den Begriff „Getreide“ gibt es erst seit rund 1.000 Jahren. 

Der Weg vom Gras zum Getreide war nicht ganz leicht. Es ist nämlich nicht immer eine Wildgrasart, die zu einem Getreide wurde. Es sind Kreuzungen verschiedener Gräser und eine lange Reihe mit vielen Zwischenstationen und Seitenlinien, die zu Weizen, Roggen & Co geführt hat. 

Die Urgetreide Emmer und Einkorn wurden nie „weiter gezüchtet“. Auch beim Dinkel geschah im Bereich der züchterischen Optimierung nicht viel, während die Hauptgetreide seit etwa 100 Jahren ganz gezielt auf mehr Ertrag getrimmt werden. 

Einkorn, Emmer und Dinkel/Grünkern

Zur Familie der Weizen gehören Einkorn, Emmer und Dinkel. Mit Einkorn fing es an – zierlich und dennoch enorm widerstandsfähig. Emmer verdrängte das Einkorn, da am gleichen Halm die doppelte Menge an Korn wuchs – also zwei statt einem. Das erhöht den Ertrag, wie jeder schnell errechnen kann 🙂 Zudem sind die Backeigenschaften von Emmer besser. 

Emmer mit Spelz
Emmer mit Spelz

Dinkel ist sozusagen die Urform des heutigen Weichweizens. Er hat gute Back- und Lagereigenschaften. Letztere, weil das eigentlich Korn durch einen Spelz geschützt ist (wie bei Einkorn und Emmer). Dies hat den Nachteil, dass ein zusätzlicher Arbeitsschritt nötig ist, um das Korn vom Spelz zu befreien. Weichweizen, Hartweizen und Kamut – also Khorasan Weizen – verlieren den Spelz beim Dreschen. So haben sie sich beim Anbau gegen Emmer und Dinkel durchgesetzt. Ihr wisst schon – weniger Arbeit = mehr Ertrag.

Früher war Dinkel gerade in den kargen, kalten Gegenden in Süddeutschlands die wichtigste Getreideart. Und da so ein Jahr immer wieder Überraschungen bereit hielt und die Bauern Ernteverluste befürchteten, ernteten sie einen Teil des Dinkel unreif und trockneten diesen. So entstand und entsteht Grünkern. Fränkischer Grünkern ist ein echtes Superfood und hat seine Bratlingszeit kulinarisch Gott sei dank hinter sich gelassen 🙂

Urgetreide
Kamut, Einkorn, Emmer, Grünkern, Purpurweizen, Waldstaudenroggen

Khorasan Weizen – Kamut

Hier zeigt sich, was Marketing vermag. Khorasan ist eine Provinz im Iran und gilt als Wiege dieses Urgetreides. Eigentlich heißt der Weizen QK-77 – aber damit kann man natürlich niemanden zum Kauf verführen. „Kamut“ ist ein eingetragner Produktname und ein wohlklingendes Kunstwort, dass wahrscheinlich vom ägyptischen Wort Ka-moot abgeleitet ist. Dies bedeutet „Seele der Erde“ und bedient seit 1988 die Wünsche der Verbraucher nach ökologischer, nachhaltiger Landwirtschaft und Glück, das auf Feldern wächst. Die Seite des Herstellers wartet übrigens mit einer richtigen Legende zu diesem Urgetreide auf. 

Khorasan Weizen soll einen höheren Anteil an Protein, Selen, Zink, Magnesium und Vitamin E enthalten. Außerdem ist sein Fettanteil höher, was ihm den Beinamen „Hochenergieweizen“ einbrachte. Seine Körner sind deutlich größer als die anderer Weichweizensorten und seine Kornstruktur ähnelt aber eher der von Hartweizen. Er ist hart, glasig und bernsteinfarben. Weichweizen wird vor allem zum Backen verwendet, Hartweizen für Nudeln, Couscous und Bulgur. 

Der Wunsch der Verbraucher hat dazu geführt, dass Weizenmehle immer heller wurden. Es wurde gebleicht, später zusätzlich durch Züchtung vom Carotin befreit. Nun geht der Trend in die andere Richtung: was dunkel ist erscheint vollwertiger, gesunder, wertvoller. 

Purpur- und Buntweizen

Sein Ursprung liegt im heutigen Äthiopien und der Purpuweizen soll Anfang des 20. Jahrhunderts über England zu uns gelangt sein. Wie auch bei anderen Buntweizen entsteht die Farbe durch Anthocyane. Dies wirken antioxidativ und gelten daher als überaus gesund. Der Gehalt an Anthocyan ist durchaus mit dem in Rotwein zu vergleichen, allerdings enthalten Kirschen oder Brombeeren deutlich mehr. 

Nur wenn ihr das ganze Korn verarbeitet, erhaltet ihr diese Farbe und vermeintliche gesundheitsfördernde Wirkung. 

Waldstaudenroggen – auch Johannisroggen, Urroggen

Im oberen Löffel ist normaler Roggen, im anderen Waldstaudenroggen. Die Körner sind ein wenig kleiner und haben daher einen höheren Mineral- und Ballaststoffgehalt. Der Waldstaudenroggen hat bis zu 2 Meter lange Halme, die als Reservespeicher für Wasser und Kohlehydrate dienen.

Aber es gibt noch ganz andere, wichtigere Unterschiede: der normale Roggen ist einjährig, die Züchtungen verkürzen die Stiele und verdicken die Ähren immer weiter. Dadurch kommt es zu einem „viel-Korn-wenig Stroh-Verhältnis“.

Der Waldstaudenroggen ist mehrjährig. Er wird traditionell als Johannisroggen um den 24. Juni gesät. Bis zum Winter wird er als Grünfutter fürs Vieh genutzt und erst im nächsten Jahr wird Korn geerntet. Bis zu 5 Jahre kann er an einer Stelle bleiben. Seine Wurzeln sind kräftig, können dadurch tiefere Wasserschichten erreichen und dienen als guter Erosionsschutz. Nach dem Schnitt treibt der Roggen wieder aus, im Frühjahr gehört er zum ersten Grün, was ihn als Futter für Wild und Vieh wichtig macht. Er wurde und wird gern in kargen und schwierigen Standorten eingesetzt. 

Warum Urgetreide?

Alte Getreidearten sind wichtig für die Biodiversität, also die Vielfalt auf dem Feld. Sie besitzen zum Teil spezielle agronomische Eigenschaften – sind regional gut angepasst und bieten andere Aromen, als gängige Getreidearten. 

Einkorn wird heutzutage kaum angebaut, Emmer ist hingegen in Äthiopien und Indien durchaus zu finden. Dinkel wieder auf dem Vormarsch. Der Trend zum Urgetreide in der Bäckerei steht erst am Anfang. Doch es ist ein gutes Alleinstellungsmerkmal des traditionellen Bäckerhandwerks gegen die weit verbreiteten Backautomaten mit ihren austauschbaren Backstücken. 

Und wenn ihr wissen wollt, was ihr nun mit den Urgetreiden anfangen sollt: es gibt da ein wirklich gutes Backbuch 😉

4 Antworten auf „Urgetreide – mehr als ein Trend“

  1. Guten Abend Frau Ammersee

    Wir bauen seit 5 Jahren Waldstaudenroggen an. Sie schreiben,dass man den Roggen bis zu 5 Jahre am gleichen Ort stehen lassen kann. Können Sie mir weiterhelfen, was für eine Herkunft vom Waldstaudenroggen Sie haben. Das würde mich sehr freuen.

    Mit freundlichen Grüssen
    Dani Böhler

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