Hamburg ist für mich mehr als ein Städtetrip – es ist die Rückkehr in meine Heimatstadt, die mir über viele Jahre, gar Jahrzehnte verloren ging. Und die sich ziemlich verändert hat…
Aufbau des Buches
Obwohl Cordula Natusch abseits der Pfade wandelt, hat sie die echten Hotspots im Buch. Nur aus anderen Perspektiven, was erfrischend und gut ist.
Sie startet in der Innenstadt mit der Hammaburg, Hafencity Ost, St. Katharinen und unterm Hamburger Hauptbahnhof. In der Mitte geht es dann weiter mit dem eher unbekannten Stadtteil Rothenburgsort.
Die Elbinseln verbindet sie geschickt mit dem Containerterminal im Hamburger Hafen, Wilhelmsburg und Georgswerder.
Auch Barmbek bekommt einen Schlenker, bevor sie entlang der Wandse Richtung Nordosten zieht. In Winterhude und Uhlendorf geht es um Hinterhöfe und Wochenmärkte und Eppendorf zeigt seine weniger mondäne Seite…
Die Alster sieht sie als Verbindung und nicht als Trennlinie – das sehen viele Hamburger ganz anders, aber ich finde es ganz wunderbar, die Vielfalt als Bereicherung zu sehen und von diesseits und jenseits wegzukommen.
Auch die Außenbezirke werden berücksichtigt: Vierlande (Altengamme, Curslack, Kirchwerder, Neuengamme) im Osten, Harburg im Süden und der grüne Westen mit Rissen, Wittenberg, Blankenese entlang der Elbe.
Speicherstadt und Hafencity
Hier hat sich ja wirklich viel getan. Dass sich die Speicherstadt vom Schmuddelimage in eine angesagte Gegend verwandelt hat, habe ich auch am Ammersee mitbekommen. Aber die neue Hafencity ist schon echt ein Ding.
Zum Gelände des ehemaligen Freihafens hatte die normale Hamburgerin ja keinen Zutritt – mich schreckt es daher auch immer, wenn die Straßenführung da heute so lapidar durch die Grenzen fährt… die vielen hippen Neubauten hätte ich wahrscheinlich nicht gebraucht, obwohl sie einen ganz eigenen Charme haben. Aber insgesamt finde ich so ein gänzlich neues Stadtteil mittendrin schon cool.
Und der Ausblick von der Besucherterrasse der Elbphilharmonie hat wirklich viele hundert Jahre gefehlt.
Der Oberhafen
Eine echte Entdeckung waren für mich die Oberhafenkantine und die hanseatische Materialverwaltung. Beides kannte ich nicht.
Eigentlich fährt man mit dem Zug ja jedes Mal an dem kleinen, schiefen Häuschen vorbei – doch von oben nimmt man es nicht wahr, wenn man nicht explizit darauf achtet. Die Kantine hatte leider geschlossen – aber dafür habe ich in unmittelbarer Nachbarschaft, dem Hobenköök wirklich alles so vorgefunden, wie ich es liebe: regional, saisonal, coole Location, super Leute – Preis stimmt.
Alte Lagerhallen mit neuem Leben zu füllen ist weltweit angesagt. Aber in Hamburg und in unmittelbarer Hafennähe haben diese Hallen natürlich ein ganz besonderes Flair. In der Materialverwaltung kommen Kreativität und Nachhaltigkeit zusammen.
Früher bin ich bei Harry Rosenberg durch die Kellerräume in St. Pauly getingelt (bevor es zum Hafenbasar wurde, und umzog). Die gibt es dort leider nicht mehr. Aber die Materialverwaltung ist eine tolle Alternative – ohne Katzen zwar… aber wer weiß, was noch kommt.
Wochenmärkte in Hamburg
Alle Stadtteile beteiligen sich unaufgefordert am Wettstreit um den schönsten Wochenmarkt. Jeder hat da was Besonderes zu bieten. Cordula favorisiert den Goldbekmarkt – er liegt am Ufer des Goldbekkanals und lockt vor allem Besucher aus den Stadtteilen Winterhude, Uhlenhorst und Barmbeck.
Alle Märkte finden mindestens einmal wöchentlich statt. Es sind traditionell gewachsene Treffpunkte, bei denen die Landwirte aus dem Alten Land oder den Vier- und Marschlanden ihre Produkte in die Stadt bringen und anbieten. Und so geht man/frau in der Regel einfach zum Nächstgelegenen. Touristen zum Isemarkt… aber die wollen ja auch eher schauen, als andere Anwohner treffen 🙂
Manche der Stände sind gefühlt „schon immer da“. Ab und an variiert das Angebot, aber in der Regel weiß man schon, was man wo und bei wem bekommt. Und für einen kurzen Schnack hat man in Hamburg immer Zeit.
An der Elbe
Ja – Hamburg liegt nicht am Meer. Aber Hafen, Alster und Elbe machen das locker wett. Es gibt Wasser, Strand, Wind und ganz wunderbare Plätze und Gelegenheiten.
Cordula Natusch empfiehlt den Elbhöhenweg, der einen tollen Ausblick hat und deutlich weniger Menschen anzieht, als gelungene Alternative zum Laufen an der Elbe direkt. Wir haben einen Teil des Weges unten und den anderen oben zurückgelegt 😉
Bekanntes und Unbekanntes
Mir fehlt ein Register – oder ein ordentliches fotografisches Gedächtnis!
Denn ich habe viel Zeit mit der Suche innerhalb des Buches verbracht – hatte eine grobe Idee, wo ich was wahrscheinlich gelesen hatte, und habe dann versucht es wieder zu finden. Gar nicht so leicht. Allerdings sehe ich natürlich die Schwierigkeit, ein gescheites Schlagwort- und Themenregister bei einem so umfangreichen Buch zu erstellen… schön wäre es dennoch 😉
Ich bin ein großer Fan von Reiseführern, die hinter die Kulissen schauen und von „Nicht-Einheimischen“ geschrieben werden. Vielleicht hat es was damit zu tun, dass diese wählen durften und sie eine leise bis laute Zuneigung zum Ort zog. Cordula Natusch ist auf jeden Fall ein Glücksfall für Hamburg, denn sie gehört hierher. Ganz gleich welchen Stadtteil sie sich vornimmt – man spürt ihre Liebe zu Hamburg, zu ganz Hamburg. Auch auf ihrem Blog Abseits der Pfade, in dem sie auch durch Norddeutschland streunert.
Einer meiner Lieblingssätze:
„So mancher Tourist am (Elb)Strand kann seine Enttäuschung nicht verbergen: “ Schön ist es da drüben ja nicht gerade.“ Die Hamburger aber lieben diesen Blick auf die dicken Pötte, die vorbeischippern, auf die riesige Terminalanlage…“ Cordula Natusch
Ganz genau 🙂
Und auch die Sache mit einem Plätzchen in der Strandperle hat sie ganz richtig erkannt.
Mein Fazit – wirklich empfehlenswert!
Wer ein Herz zu vergeben hat, sollte sich das Buch und viel Zeit nehmen, um durch die Stadt zu flanieren. Wahrscheinlich wird sein Herz dann zwar in Hamburg bleiben, aber es gibt ja wirklich Schlimmeres…
Es ist kein Buch für den schnellen Genuss, man muss lesen könne und wollen, denn es gibt nur wenig Fotos. Dafür tummeln sich gute Texte, tolle Tipps und fundierte Informationen. Das Buch von Cordula hat mir nun viele zusätzliche Gründe geliefert, Hamburg für mich ganz anders und neu zu entdecken 😉
Braumüller Verlag, 2018, 2. stark erweiterte Auflage
Hamburg ABSEITS DER PFADE – Cordula Natusch
ISBN 978-3-99100-260-4
WERBUNG
Ich danke dem Braumüller Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.
Nach dem Telemediengesetz § 2 Nr. 5 TMG sind alle Links auf Verlage und Autoren inzwischen als Werbung zu kennzeichnen. Ich erhalte kein Geld für meine Rezensionen, ich beurteile die Bücher nach meinen eigenen Kriterien, auf die niemand Einfluß nimmt.
Liebe Anne,
vielen Dank für die tolle Besprechung. Es freut mich sehr, dass dir das Buch gefällt. Und wenn du das nächste Mal in Hamburg bist, klappt es hoffentlich auch endlich mit einem Treffen.
Bis dahin liebe Grüße
Cordula