Jungfrau-Aletsch – Gletschergeschichte mit Gänsehautmoment

Hobbits kämpfen sich an der Seite Gandalfs durch diese gewaltigen Schluchten, Gipfel und Wälder, Tod und Teufel ringen seit Jahrhunderten mit klugen Wallisern und auch heute lässt das Gebiet Jungfrau-Aletsch mit dem großen Aletschgletscher niemanden kalt. Obwohl das Eis schmilzt.

World Nature Forum – Genuss und Wissen zum Jungfrau-Aletsch

Seit 2001 gibt es das erste alpine UNESCO Weltnaturerbe – in der Schweiz, zwischen Eiger, Mönch und Jungfrau rund um den Großen Aletschgletscher, dem am meisten vergletscherten Gebiet der Alpen. Sein offizieller Titel: UNESCO-Weltnaturerbe Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch.

Faszination Jungfrau-Aletsch

Die Ausstellung

Das World Nature Forum in Naters bei Brig zu finden ist nicht so leicht – es fällt von außen nicht auf. Glatt, grau und kalt steht es neben einem Verkehrskreisel… Aber innen merkt man, dass der Aufbau dieses Hauses durchdacht ist und Menschen ganz nebenbei in seinen Bann ziehen kann.

Spielerisch begleitet ein Ball durch die Ausstellung, tröpfelt mal langsam, mal schnell durch die mechanisch geteilte Zeit, führt vom Erdgeschoss nach oben und wieder zurück.

„Eigentlich sollten diese Bälle die Kinder locken. Aber die Großen haben genauso einen Spaß und bekommen jetzt auch Bälle,“ erzählt Rebecca Schmid. Sie ist Projektleiterin des UNESCO-Welterbe Swiss Alps.

Simon-Simon-Relief
Simon-Simon-Relief – Rebecca zeigt auf die Eigernordwand, dahinter ist der Mönch

Es sind einzelne Themen (u.a. Permafrost, Märjelensee, Geschichten um Technik und Menschen, aber auch ein Blick in die Zukunft), die man durchwandert. Mit viel Interaktion wird Wissen rund um Gletscher und natürlich speziell zum Jungfrau-Aletsch vermittelt. Es ist die perfekte Vorbereitung, um diese Region kennen zu lernen.

Die Namen der Ortschaften im Gletschergebiet liest und hört man, wenn man zur Ausstellung hochgeht

Eines meiner absoluten Highlights: das Sandspiel.

Mit den Händen formt man im Sand ein Gelände mit Höhen und Tiefen. Wenn man den Arm darüber hält, kommt „Regen“ von oben und man kann verfolgen, wie sich das blaue Wasser verteilt und dadurch das Gelände verändert.

In diesem „modernsten Museum der Alpen“ vermischen sich Gegenwart und Vergangenheit ganz unaufgeregt und ziemlich perfekt.

Jungfraubahn

Jungfraubahn

Ob man sich nun mehr an den Orientexpress oder das Fliegende Klassenzimmer erinnert fühlt, ist egal. Ein Originalwaggon der über 100 Jahre alten Jungfraubahn – so stilvoll war Reisen damals 😉

Nach der ursprünglichen Planung sollte die Strecke auf den über 4000 Meter hohen Gipfel der Jungfrau führen, aber auch mit der Station Jungfraujoch auf 3454 Metern hält die Jungfraubahn den Rekord des höchstgelegenen Bahnhofs Europas. Wer mehr zur Strecke und der Bahn erfahren möchte – David hat in seinem Zugreiseblog alle Infos. Es war und ist eine extravagante Reise!

Schöner als Instagramstorys… und definitiv länger haltbar

Last but… ihr wisst schon

Kinos und Filme gibt es in vielen Museen. Aber diese Filme von Christoph Frutiger lassen den Gletscher lebendig werden und es kommt keinerlei Langeweile auf – starke Bilder, gute Story, perfekte Umsetzung – wirklich beeindruckend. 

Der Brunch

Ein Museum in dem man Essen kann. Und auch noch gut. Habe ich in dieser Form noch nie erlebt 😉 Aber finde ich natürlich „tipptop“ (auf meiner Reise durchs Wallis durften meine Begleiterinnen in ihrer Sprache bleiben und ich habe nur nachgefragt, wenn es gar nicht ging. Tipptop ist seither einer meiner Lieblingsausdrücke…)

Walliser-Brunchteller: Safranbrötchen, allerlei Fleischiges, ein Klecks Süßes – es fehlt nur noch der Käse…

Zum Sonntagsbrunch wird hier alles aufgefahren, was die Region zu bieten hat – etwa Walliser Trockenfleisch. Nachhaltigkeit sind für Museum und Restaurant keine Pflicht sondern Kür. Bei Regula von Alt-werden-kann-ich-später gibt es mehr Infos zum Safrandorf.

Noch mal Tolkien – der Aletschwald

J.R.R. Tolkien hat 1911 von Interlaken kommend mit einer Gruppe Studenten die Alpen überquert und wohl viele der Natureindrücke in seinen Büchern rund um Mittelerde verewigt. Einige grandiose Landschaften, die Peter Jackson in seiner eigenen Heimat Neuseeland in Szene setzte, finden sich wohl ursprünglich in der Schweiz. 

Unten offene Pioniervegetation, oben Altbestand aus Arven und Lärchen mit dichtem Unterwuchs. Im Juni blühen die Alpenrosen – ein guter Grund wieder zu kommen.

Schaut man von der Belalp über den Gletscher – beziehungsweise das Tal, das er mal füllte – sieht man große bewaldete Flächen. Es ist eine Mischung aus Tolkiens Fangornwald und dem „Goldenen Wald“ Lothlorien. Der Aletschwald vereint uralte Bäume (mit die ältesten der Schweiz) und lichte Bereiche.

Die knorrigen, verdrehten Arven (Zirbelkiefern) können über 1000 Jahre alt werden, wachsen extrem langsam und an steinigen Stellen. Lärchen werden etwa halb so alt und färben die Hänge im Herbst gelb. Beide Baumarten sind direkte Konkurrenten in diesem rauen Umfeld. Lärchen wachsen schneller, sind lichter und lieben die Sonne. 

1933 wurde der Aletschwald, der durch die Beweidung überalterte, durch die Naturschutzorganisation Pro Natura unter absoluten Schutz gestellt. Seither sind die 410 Hektar zwar für Besucher (Jährlich 50.000-70.000) zugänglich, wird aber nicht mehr bewirtschaftet.

Aletschwald
Das Pro Natura Zentrum Aletsch in der Villa Cassel auf der Riederalp soll 2020 wiedereröffnet werden

Mehr über Arven – nicht zu verwechseln mit Arwen 😉 – findet ihr bei Waldwissen. Da erfahrt ihr auch, warum Tannenhäher und Eichelhäher Freunde des Waldes sind und ich im Sommer 2020 speziell über den Aletschwald und seine Gärtner schreiben werde 😉

Dreierlei Walliser Sagen

„Drierlei Milch“,  „Di armu Seele im Gletscher“ und „D alt Schmidjia spinnt no“ – also „Dreierlei Milch“, „Die armen Seelen im Gletscher“ und „Die alte Schmiederin spinnt noch“. Zita Andenmatten lässt Sagen des Jungfrau-Aletsch lebendig werden. Die kleine Frau mit den glänzenden Augen und dem unbändigen Lachen, erzählt vergnügt lachend von Tod und Teufel. Natürlich „Uf Wallisertitsch“. Sonst wäre es ja nur der halbe Spaß. So ein bissl Grusselmoment gehört schließlich dazu. 

Zita Andenmatten

Mir hilft mein Wissen um Märchen und Sagen, denn weltweit ähneln sich die Geschichten. Und so kann ich gut nachvollziehen, wie die Walliser durch Schlauheit und Gottesfürchtigkeit dem Bösen trotzten 😉

Wechselhafte Wünsche

Der Mensch ist schon ein seltsames Wesen und selten zufrieden. Leider. Da wo früher gebetet wurde, dass der Gletscher nicht weiter wachse, wird nun gehofft, dass er nicht weiter schmilzt. Die Zusammenhänge zwischen Wetterkapriolen, Klima, Bergen, Gletschern und uns verstehen wir erst langsam. Mit 23 Kilometern ist der Jungfrau-Aletsch der längste Gletscher der Alpen – Tendenz seit 1860: weiter schwindend. 

Jungfrau-Aletsch
Der obere Aletschgletscher, Blick vom Eggishorn

Weitere Geschichten aus der Schweiz und dem Wallis:

Ich danke Regula Zellweger von Alt-werden-kann-ich-später*, die mich in die Schweiz gelockt und alles hier so liebevoll und wunderbar organisiert hat.

Rebecca Schmid (Projektleiterin von UNESCO-Welterbe Swiss Alps) danke ich für die unendliche Geduld – bis alle Fotos gemacht und alle Fragen gestellt sind, gerät die Zeitplanung leider immer in Verzug. Auch Aline Schmutz musste das lernen und hat keine Miene verzogen. Danke euch.

Mit Alessandra Lochmatter und Damian Sies erlebte ich eine unvergessliche Bergtour durch Ziegen, Kühe, Sauerampfer, Kaulquappen und Alpenblüten. Danke dafür und auch die Tipps und Hilfe danach und rund um den Aletschwald.

Mit Walliser Sagen und Geschichten brachte Zita Andenmatten einen wunderbaren Abend auf der Belalp zum perfekten Abschluss. Den Rahmen bot das Restaurant des Hotels Belalp* mit ungebremstem Blick auf den Gletscher. Danke auch unseren Gastgebern Marketa & Christian Meier.

Meine Reise zum Jungfrau-Aletsch wurde von World Heritage Experience Switzerland* unterstützt. Danke dafür! Es war großartig.

Jungfrau-Aletsch

 

6 Antworten auf „Jungfrau-Aletsch – Gletschergeschichte mit Gänsehautmoment“

  1. Ich habe wirklich jede Minute genossen und werde ganz bestimmt wieder kommen – magst du mit mir den Aletschwald durchwandern? Alessandra hat schon zugesagt…

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