Es gab Zeiten, in denen jeder Apfel seinen eigenen Geschmack, seine Zeit und damit auch seine eigene Fangemeinschaft hatte. Der Finkenwerder Herbstprinz war beziehungsweise ist so einer: er hat eine ausgeklügelte Balance zwischen süß und sauer, ist nicht grün nicht gelb nicht rot, mal riesig, mal klein. Er ist ein sogenannter Winterapfel und hat seit 2000 eine wieder wachsende Fanbewegung in Hamburg und dem Alten Land.
„Rettet den Herbstprinz“ – die Kampagne des gleichnamigen Förderkreises, des Freilichtmuseums Kiekeberg, Slow Food und des Hamburger Abendblattes kann man durchaus als erfolgreich bezeichnen. Die Nachfrage wuchs, einige Halb- und Hochstämme im Alten Land wurden daraufhin wohl doch nicht gefällt und der Herbstprinz zog als Jungbaum in vielen Gärten und Baumschulen Norddeutschlands ein.
Sortenreine Apfelsäfte
Zwanzig Jahre später wächst der Markt an sortenreinen Säften. Es geht um echten Geschmack und nicht die perfekte Mischung. Bei einer Verkostung der unterschiedlichen Sorten fällt den meisten erst auf, was sie wirklich mögen – und das Apfelsaft sehr unterschiedlich schmecken kann. Und es sind natürlich nicht nur alte Apfelsorten, die dabei punkten – aber Cox Orange, Finkenwerder Herbstprinz und Boskop schlagen sich im Umfeld der neuen Alleskönner echt gut.
„Außerdem schmecken die Äpfel einer Sorte auch unterschiedlich, wenn sie früher oder später gepflückt werden,“ erläutert Hein Lühs. Die Vergleichbarkeit von Apfel mit Apfel war mir schon im Studium der Oecotrophologie eine Dorn im Auge und unverständlich. Kaum vierzig Jahre später, erhalte ich immer mehr Hinweise, dass ich damals gar nicht so falsch lag 😉
Auf dem Herzapfelhof hat man das erkannt: Familie Lühs hat nicht nur 2012 auf Bio umgestellt und baut auf 40 Hektar rund 40 Apfelsorten an (na klar, gibt es auch Kirschen, Quitten und Co), sondern hat auch einen 5.000 Quadratmeter großen Herzapfel-Garten mit 250 historischen Apfelsorten gepflanzt – in Apfelform, versteht sich. Was bei der charmanten Führung gar nicht weiter auffällt. Da hilft nur ein Blick auf den Plan 😉
„Olland Herbstprinz Gold“
Da geht doch was! – finden Brenner, wenn Obstbauern mit außergewöhnlichen Sorten aufwarten. Wie dem heimischen Finkenwerder Herbstprinzen. Und was in Deutschlands Süden recht verbreitet ist, ist hier ein Alleinstellungsmerkmal des Brenners: ein Fruchtauszug.
Dem klassischen sortenreinen Apfelbrandt fügt Arndt Weßel nämlich noch mal frische Äpfel zu. Diese werden von Hand gereinigt, geteilt, von Kerngehäuse und Holz befreit und landen für viele Monate zusammen mit dem Brand in Edelstahltanks. Dadurch entsteht echte Frische und Farbe und es wandern noch mehr Herbstprinzentypische Geschmacksnuancen in die Spirituose.
Finkenwerder Herbstprinz
Auf der Elbinsel Finkenwerder bei Hamburg taucht der gewichtige Herbstprinz um 1860 erstmals auf. Den Spitznamen „Schlotterapfel“ verdankt er dem klappernden Geräusch der aneinanderschlagenden Kerne in ihren Gehäusen, zumindest bei den großen und voll ausgereiften Exemplaren. Er gilt als Zufallssämling aus der Ahnenreine des echten „Prinzenapfels“.
Bis 1960 war er rund um Hamburg begehrt. Er wird spät reif und bewahrt als „Winterapfel“ bei sorgsamer Lagerung sein Aroma bis ins nächste Frühjahr. Das war damals eine wichtige Eigenschaft – da kamen die Äpfel noch nicht ganzjährig aus der Kälte oder von anderen Kontinenten.
Weitere Geschichten aus dem Alten Land:
- Apfelvielfalt im Alten Land
- Buxtehude im Regen – und voller Tiere
- Die Sache mit der Soße – Jens Rittmeyer
- Der unsichtbare Dritte – im Alten Land
- Mit freundlicher Unterstützung von TourismusMarketing Niedersachsen GmbH*, die mich zu einer Pressereise ins Alte Land eingeladen hat.
Mein besonderer Dank geht an Renate Rebmann, die die Kollegen und mich coronakonform durch Niedersachsen geleitete hat und meine Liebe zum Finkenwerder Herbstprinz nun wahrscheinlich teilt 🙂
Sortenreinen Apfelsaft, nicht nur vom Finkenwerder Herbstprinzen, konnten wir auf dem Herzapfelhof* der Familie Lühs verkosten. Die Hochprozentige Variante von Arndt Weßel bei NORDIK* hat ebenfalls überzeugt. Vielen Dank für die Gastfreundschaft.
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Dieser Artikel enthält Links zu Produzenten und persönliche Empfehlungen von mir. Ich bin dafür zwar weder bezahlt noch beauftragt worden, doch da ich Produkte nenne, kennzeichne ich diese als Werbung.
4 Antworten auf „Finkenwerder Herbstprinz – auch flüssig eine Wucht“