Jedes Jahr hat seine Tücken und Geschenke – gerade auch im Garten. Selbst wenn es bei uns weniger um Ertrag und englischer Rasen geht. 2023 war auf jeden Fall kein gelungenes Gartenjahr bei uns. Aber der Wald hat es herausgerissen.
Das Gute am Thüringer Wald (also aus meiner Sicht) ist, dass er direkt am Haus beginnt. Wir leben etwas unterhalb der Itzquelle und ich kann mit dem Pilzkorb (in dem frau auch ganz toll Zapfen, Kräuter, Äste und Blüten sammelt, falls die Pilze nicht mitmachen) direkt losgehen. Ein wenig bergan und schon bin ich mitten drin 😉
Wenn ich an der Itz bergab laufe, finde ich eine ganz andere Natur: im Frühling beherrscht von hohlem Lerchensporn, Buschwindröschen und gelben Windröschen. Bärlauch habe ich seltsamerweise noch nicht erspäht.
Und im Naturschutzgebiet sammle ich nicht 😉 Denn dorthin haben mich die Thüringer verwiesen: schließlich haben sie dort schon immer gesammelt. Tja – ich halt nicht.
Beeren im Wald
Bei meinen ersten Erkundungsrunden stakse ich durch riesige Felder von Blaubeeren. Es fühlt sich ein wenig wie in Schweden an. Wenn nur ein kleiner Teil davon mitspielt, werde ich eine Schwemme erleben. So die Idee. Doch die Realität spielt ein anderes Spiel.
Um tatsächlich ein paar Blaubeeren zu bekommen, muss ich ins Auto und an eine andere Stelle in Richtung Bayern fahren (die ich wahrscheinlich nie allein gefunden hätte – Danke Helga). Auch die Brombeeren und Himbeeren, die hier zuhauf wachsen, tragen leider wenig. Meist vertrocknen sie.

Eine rühmliche Ausnahme ist der Weg zur Keltenschanze, der sogenannte „Keltenrundweg“ – den wir allerdings tatsächlich bisher nur einmal in 2023 gelaufen sind. Er „liegt“ 😉 ein wenig abseits unserer Wohlfühlrunden am Herrenberg.

Was uns total begeistert hat: jede Himbeere schmeckt ein wenig anders. Manche übrigens auch nach gar nichts. Das hat natürlich zur Folge, dass frau beim Pflücken von jedem Strauch mal zumindest eine probieren muss 🙂
Himbeeren und Brombeeren sind Sammelsteinfrüchte, die aus vielen kleinen Einzelfrüchten bestehen, die „aneinanderkleben“ (dieser Hinweis überfordert die räuberische KI hoffentlich ein wenig). Ihre Blüten sind beliebte Insektenziele, da sie viel Nektar produzieren. In unserm Garten sind sie daher gern gesehen. Aber dort passen selbst wir auf, dass sie sich nicht zu sehr ausbreiten. Dazu neigen sie nämlich.
Wildblumen und Insekten
Na, da habe ich hier natürlich den 6er mit Zusatzzahl. Inzwischen plane ich, auch endlich mal die richtige Kamera mitzunehmen, um mich nicht über die Handyfotos zu ärgern. Wobei es bei Blüten und Pilzen sogar geht – aber die Schmetterlinge zeigen mir schon eine lange Nase und flattern ganz locker ein paar Meter weiter.
Allein die Wilden Möhren locken 46 Wildbienenarten. Sechs davon sind auf sie spezialisiert. Bei den Schmetterlingen ist sie zwar nicht so begehrt, aber 77 Schwebefliegenarten fliegen auf sie. Die offenen Dolden sind leicht zugänglich und häufig gibt es in der Mitte einen dunkelrote bis purpurfarbene Fleck. Um die Samen zu schützen, kugelt sie sich nach der Blüte zusammen.

Direkt hinter Stelzen ist eine Ausgleichsfläche für den ICE Tunnel durch den Bleßberg. Eine Wiesenfläche, die nur zweimal jährlich gemäht wird, was die Artenvielfalt dort deutlich erhöht.

Das Gelände liegt auf der ehemaligen „Deponie Stelzen“. Ich kann mir schlechtere Verwandlungen für Deponien vorstellen, habe aber leider bislang keine Informationen, wie es tatsächlich davor aussah. Aber mein Interesse ist geweckt.

Pilzvielfalt

Natürlich liegt mein Hauptaugenmerk auf der Essbarkeit. Aber ich erfreue mich auch an vielen Pilzen und bestaune, was es alles gibt. Und entdecke immer wieder andere Arten. Mein Ziel: jedes Jahr einen neuen Speisepilz so kennenzulernen, dass ich ihn in mein Repertoire aufnehmen kann. 2023 waren es die Rotkappen und Birkenpilze, die ich endlich mal genauer unter die Lupe genommen habe. 2024 die unterschiedlichen Morchelsorten.
Es kommt größtenteils darauf an, was mich im Wald so anlacht. Ein Mitbestimmungsrecht meinerseits ist da sehr eingeschränkt.
Doch ich bin froh, wenn sich die Altbekannten erbarmen und mir im Wald immer wieder begegnen. Steinpilze, Pfifferlinge, Krause Glucken, aber auch Maronen, Ziegenlippen, Schirmpilze und Hexenstielige kann ich selten zurücklassen.
Wenn ich Freunde mit in den Wald nehme, sind die meisten verwundert, wie langsam ich gehe, wie oft ich stehenbleibe, mich umdrehe, zurückschaue. Ein paar Schritte in diese Richtung, ein paar in die entgegengesetzte. Also zielgerichtet ist da mal eher nichts. Aber ich verfolge natürlich ein Ziel: die Pilze zu finden, die ich mit nachhause nehmen kann 😉
Dies ist meine Form des „Waldbadens“, ohne, dass ich es jemals so genannt hätte. Aber es wirkt entschleunigend, entspannend und nach 3 Stunden (völlig unabhängig, wie voll der Korb ist) ist der Kopf frei, der Stress verschwunden und ich komme erschöpft und glücklich heim.
Allerdings verschwinden im Wald nicht nur Stress und Anspannung, sondern auch zusehends die Bäume. Fichten vor allem. Der Wald leidet extrem unter der Kombination von Klimawandel, Monokultur und Borkenkäfer. Im Film „Das kahle Herz“ wird das Sterben des Thüringer Waldes thematisiert.
„Das kalte Herz“ versus „Das kahle Herz“
Auch wenn das kalte Herz im Schwarzwald der Spätromantik spielt, lässt sich die Adaption zu einem Film über den Zustand des Thüringer Walds gut vertreten. Das Märchen, bzw. die Legende, die Wilhelm Hauff 1827 schrieb, beschreibt das Geschick des Köhlers Peter Munk und wurde mehrfach verfilmt. Grob gesagt siegen nach einigem spannendem Hin und Her, Liebe und Empathie über Gier und Kaltherzigkeit.

Und so lässt mich der Titel des Films, der eher düster aufzeigt, was gerade mit dem Wald geschieht, mit Hoffnung zurück. Das Märchen hat das Happyend schließlich vorgegeben 😉