Wollgrasblüte – weißer Puscheltraum im Moor

Klein, weiß und flauschig – und so weit das Auge reicht (also fast). So zeigt sich die Wollgrasblüte im Emsland, genauer im Provinzial und Wietmarscher Moor. Sicherlich auch noch an anderen Stellen, aber hier habe ich sie bewundern können.

Dabei blüht das Wollgras jetzt eigentlich gar nicht: es fruchtet 😉 !

Geblüht, hat es ein paar Wochen zuvor und deutlich unauffälliger. Die weißen Puschel sind Samenstände des Sauergrases, vergleichbar mit den Pusteblumen des Löwenzahns. Sie erinnern mich allerdings eher an Baumwollfruchtstände, weil sie die ganze Fläche bedecken und nicht so licht wie Pusteblumen sind. 

Wollgras ist nicht gleich Wollgras – aber puschelig ist es immer

Zweierlei heimische Wollgras-Arten und daher auch deren „Wollgrasblüten“ finden sich hier: das Schmalblättrige und das Scheidige oder Scheide-Wollgras. 

Das Schmalblättrige Wollgras wächst flächig und breitet sich auch über seine Wurzeln weiter aus. Es ist ein sogenanntes „Ausläufersauergras“. 

Das Scheidige Wollgras wächst hingegen in Büscheln, sogenannten „Horsten“ und ist ein – ihr ahnt es – „Horstsauergras“. Es ist höher oder wirkt (vielleicht durch die buschige Form) auf jeden Fall so. Es steht gern dort, wo es nicht ganz so nass ist. Und gilt als gefährdet, ist also nicht so weit verbreitet. 

Im Vordergrund seht ihr das Scheidige, also Horstiges Wollgras 😉

Wollgras ist eine Pionierpflanze und wird bei der Renaturierung der Moore eingesetzt. Es benötigt viel Licht und einen eher nassen, sauren Boden. Und weil es beim Fruchten so hübsch aussieht, pflanzen Menschen es immer häufiger an ihre Gartenteiche oder in feuchteren Gartenabschnitten an.

Wiesenvögelchen – allerdings nicht die Verschollenen

Zur Freude heimischer Schmetterlinge und anderer Insekten. So soll die Raupe des „Verschollenen Wiesenvögelchens“ (das leider vom Aussterben bedroht ist – nomen est omen – ihr wisst schon) Wollgras als Kinderstube lieben. Es ist nicht die Blüte, die das Wiesenvögelchen lockt. Wollgras vertraut auf Windbestäubung und bietet wenig Nektar. Aber zur Eiablage und zur Heimstätte der hungrigen Raupen, scheint es perfekt.

Schmetterlinge bevorzugen oft ganz bestimmte Pflanzen, einige sind auf diese Pflanzen angewiesen und können sich wahlweise nicht vermehren, ernähren oder überwintern, wenn es diese nicht gibt. Deswegen ist es auch so wichtig, Brennnesseln und Co im Garten an einigen Stellen stehenzulassen. Mit diesen Pflanzen kann jeder die Artenvielfalt erhöhen: Raupenfutterpflanzen

Schar von Kohlweißlingen

Viele halten den Kohlweißling mit Schutznetzen vom Kohl fern. Ich opfere ihm jedes Jahr bewusst ein paar Pflanzen 😉 und freue mich, wenn ich dann solche Ansammlungen in unserem Garten begrüßen darf. 

Torf und Moos

Erst seit 1981gilt statt „Ackerlandgewinnung mit allen Mitteln“ im Emsland „Abgetorfte Flächen in lebendiges Hochmoor zurückzuverwandeln“.  Das ist eine politische Kehrtwende um 180 Grad, die mit dem Klimawandel und einem wachsenden Bewusstsein für die Wechselwirkungen in der Natur zusammenhängt. 

Es sind die Torfmoose, Wollgräser und Moorheiden, die als „Grundinventar“ wiedervernässte Flächen mit Leben füllen und Hochmoore (wieder)aufbauen.

TorfmoosTorfmoos ist nicht auf Grundwasser angewiesen und bildet daher nach unten keine Wurzeln. Es besteht aus hunderten, tausenden Pflänzchen und speichert Wasser. Der sogenannte „Baumeister der Moore“ strebt nach oben und stirbt an der Unterseite ab. So wächst  1 mm neuer Torf im Jahr. 

In der ersten Zersetzungsstufe entsteht Weißtorf. Pflanzenstrukturen sind darin noch gut erkennbar. In tausenden von Jahren entsteht dann Schwarztorf als letzte Stufe. 95 % der deutschen Torfbestände liegen in Niedersachsen. Sie entstanden nach der letzten Eiszeit und sind rund 12.000 Jahren alt. 

Weißtorfmauer
Weißtorfmauer Deutsch-Niederländischen Bienenzentrum Imme Bourtanger Moor

75 Jahre Emslandplan

Die „Ödländereien Emsland“ zeichneten sich durch weite Moore, wenig ertragreiche Landwirtschaft und wildwachsende Heidelandschaften aus. Die Region galt aufgrund ihrer landwirtschaftlichen Unzulänglichkeiten über Jahrhunderte als Armenhaus Deutschlands und erst im Mai 1950 kam mit dem Emslandplan Schwung und Hoffnung auf. Heute würden Politiker von einem „WUMS“ sprechen.

Damals wurde diese Infrastrukturförderung im Bundestag einstimmig! gefasst. Dabei war das im Plan bedachte Gebiet größer, als das heutige Emsland: die damaligen Landkreise Aschendorf-Hümmeling, Meppen und Lingen bilden seit 1977 den Landkreis Emsland. Zum Wirkungsbereich zählten aber auch die Grafschaften Bentheim und Teile der Landkreise Bersenbrück, Cloppenburg, Vechta und Leer. Sogar das Ammerland bis fast nach Oldenburg profitierte vom Emslandplan. 

Heute wird das Hochmoor wieder renaturiert, denn Moor ist ein hervorragender CO2-Speicher. 

Ziel war eine flächendeckende Kultivierung, um die Ernährung zu sichern, Arbeitsplätze zu schaffen, Öl zu fördern und Flüchtlinge, sowie Heimatvertriebene unterzubringen. 

Wollgrasblüte erleben

In Deutschland gilt das Wollgras nicht als gefährdet. Die größeren Flächen befinden sich zumeist in Naturschutzgebieten in Niedersachsen und dürfen nicht betreten werden. Aber es gibt Pfade und Bohlenwege, sodass man ziemlich nah ran kommt. Das Wollgras blüht, bzw. fruchtet! im April/Mai (das kommt auf die Witterung an) und mögliche Ausflugsziele sind im Emsland das Dalum-Wietmascher Moor, das Wesuwer, Provinzial und Wettruper Moor, das Esterweger Moor und der internationale Naturpark Bourtanger Moor-Bargervenn.

Wollgrasblüte im Provinzial Moor, Emsland

In der Lüneburger Heide ist es im Pietzmoor bei Schneverdingen und am Grundlosen See zu finden. Bei Eschede an den Aschau- und Loher Teichen der Südheide, sowie im Ahrbecktal bei Unterlüß. Auch im Großen Evestorfer Moor bei Heidenau, im Oppenweher Moor und dem Tister Bauernmoor nahe Hamburg. Es empfiehlt sich immer, vorher die örtlichen Touristeninfos anzurufen und nachzufragen, ob es noch blüht oder schon fruchtet („fruchten“ ist die richtige Zeit!)

Ein Blick in die Niederlande – nach Bargerveen

Zwei unterschiedliche Systeme direkt nebeneinander: wie kümmern sich die Menschen um das Moor, wie nutzen sie es, was haben sie davon?

Das Bargerveen ist mit seinen knapp 217 Quadratkilometern nur ein Fitzel des Bourtanger Moores* auf beiden Seiten der deutsch-niederländischen Grenze. Das Bourtanger Moor umfasste zu seiner Hochzeit ungefähr 3.000 Quadratkilometer.

Ein Blick in den niederländischen Teil des Bargerveen, des Naturparks Bourtanger Moores

Ende der 1960er Jahre begannen die Niederländer mit der Renaturierung des Moors, die deutschen Gebiete fallen erst seit den 1990er Jahren aus der Kultivierungs- und Trockenlegungsnutzung. So geht es in Niedersachsen derzeit vor allem um die Schritte der Abdichtung und Wiedervernässung, während auf niederländischer Seite teils schon intakte Biotope entstanden sind. Die Flächen stehen auf beiden Seiten unter Naturschutz und bilden einen einzigartigen Natur- und Lebensraum. 

Mit Unterschieden: während auf deutscher Seite Wanderer und Radfahrer nicht ins eigentliche Moorgebiet dürfen, weil sie die Ruhe der Tiere stören, vertrauen die Holländer auf den tierischen Instinkt. Nur gut 600 der 2.800 Hektar sind dort für Besucher gesperrt. Auf den verbleibenden großen Flächen wurde ein sehr engmaschiges Freizeitwegenetz bereitgestellt, um Naturliebhaber an den Entwicklungsschritten teilhaben zu lassen. Nach dem Motto: man schützt, was man kennt und erlebt.

Die erwünschte Entwicklung der Flora und Fauna nehme dadurch keinen Schaden, wie regelmäßig durchgeführter Kartierungen belegen. Insgesamt lässt sich die im Bargerveen zu beobachtende Herangehensweise hinsichtlich der Öffnung für Besucher auch in den niederländischen Nationalparken beobachten.

In Deutschland hingegen werden streng geschützte Gebiete mit Blick auf den Artenschutz nur sehr eingeschränkt für den Besucherverkehr freigegeben. Die Jagd ist hier hingegen mit dem Hinweis, dass diese die Artenentwicklung begünstige, erlaubt.

In den Niederlanden werden aktuell allein hier 30 Millionen Euro zur Renaturierung eingesetzt und auf 220 Hektar die 300 Meter breite Pufferzone Süd geschaffen. In Deutschland ist eine vergleichbare Schutzzone leider aus Gründen der Eigentumsverhältnisse (und des Budgets) nicht umsetzbar. 

Historische Wandertouren – die ehemaligen Hofstellen im Bargerveen 

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Landschaft im Naturpark Bourtanger Moor starke Veränderungen durchlaufen. Früher maßgeblich durch die Torfindustrie geprägt, änderte sich mit der schrittweisen Aufgabe des Torfabbaus und der Renaturierung der Flächen auch die Bebauung. Gerade im Bargerveen kam es bis hin zum Verschwinden von Häusern und ganzen Siedlungsbereichen.

Karte der historischen Wanderrouten. Quelle: Naturpark Moore.eu

Die historischen Wandertouren* sollen die ehemalige Bebauung und damit auch die Siedlungsgeschichte des Gebiets sichtbar machen. An verschiedenen Orten wurde je nach Gegebenheit die Information digital, als Landmarke, und/oder auch als analoge Infotafel zur Verfügung gestellt. Alte Fotos, Zeichnungen, Karten und Informationen zu den früheren Bewohnern und der Nutzung stehen bereit und sind auch ohne Führung erkenn- und erlebbar. 

Mit freundlicher Unterstützung von TourismusMarketing Niedersachsen GmbH*die mich zu einer Pressereise spezielle zur Wollgrasblüte eingeladen hat.

Mein besonderer Dank geht an Renate Rebmann, der es immer wieder gelingt, die besonderen Seiten Niedersachsens erlebbar zu machen. 

Ja – auch Erdölförderung ist hier ein Thema. Allerdings nicht meins 😉

Außerdem danke ich Naturpark Ranger Andreas Rakers* vom NABU Emsland, der uns sachkundig und mit augenscheinlicher Freude in einige Geheimnisse der Wollgrasblüte einwies. So wie Uwe Carli*, Geschäftsführer der Emsland Tourismus und des Naturparks Bourtanger Moor-Veenland, der mit seinem Team auf Nachfragen geduldig und gewissenhaft reagierte.

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Dieser Artikel enthält Links zu Produzenten und persönliche Empfehlungen von mir. Ich werde dafür nicht bezahlt und niemand nimmt Einfluss auf meine Texte und Tipps. Doch zur höchstmöglichen Transparenz lege ich diese Verbindung hiermit offen.

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