Irgendwo in Deutschland. Morgens um 6, mitten im Wald.
Der Nebel hält sich zwischen den Bäumen, ein Käuzchen ruft, einige Tropfen platschen zu Boden, ein Ast knackt.
Ein einzelner Mensch. Mit Körbchen, Messer und einem Auftrag – möglichst viele Pilze zu finden und heim zu bringen.
Natürlich nur von den Guten – und da sind sich die Pilzliebhaber schon ziemlich einig: Steinpilze, Pfifferlinge, Morcheln, Stockschwämmchen, Reizker, Schirmpilze, Maronen (na ja), Krause Glucken (unbedingt!) sollen ins Körbchen.
Nord-Süd-Unterschied bei Pilzen
In Südbayern und dem Bayerischen Wald sind die Schwammerl allerdings auch über 30 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl immer noch stark belastet. Hier war die Kontamination rund 10 mal höher als etwa im Norden Deutschlands. Rein rechnerisch ist das Cäsium-137 (Cs-137) gerade mal zur Hälfte zerfallen. In weiteren 30 Jahren sollte dann noch mal die Hälfte zerfallen – ihr seht – das geht langsam. Aber genau darauf weisen die Gegner der Atomkraft schließlich immer wieder hin.
Am stärksten betroffen sind Röhrenpilze wie Maronen oder Birkenröhrlinge. Steinpilze halten sich zum Glück bei den Becquerel ein wenig zurück. Weniger strahlend zeigen sich Pilze die auf Holz wachsen – also zum Beispiel Stockschwämmchen oder Krause Glucken (die ich hier aber leider noch nie gefunden habe).
Bei gekauften Wildpilzen muss man ebenfalls aufpassen: viele stammen aus Russland oder der Ukraine und sind daher noch stärker belastet als die süddeutschen Pilze. Sie werden mit unbelasteten Pilzen vermischt oder auch einfach in unverdächtigen Drittländern (Litauen & Co) verpackt und dann entsprechend sauber deklariert.
Im Norden Deutschlands können die Pilzliebhaber ruhig in ihre umliegenden Wälder gehen – die Altmark zählt zu den dünnbesiedeltsten Gegenden Deutschlands. Aber das Sammeln ist nicht so jedermanns Sache.
Pilz-Geschmack
Champignons, Austern- und Kräuterseitlinge sind inzwischen ganzjährig frisch im Supermarkt verfügbar. Das Problem – sie schmecken meist wie holländische Tomaten oder Gurken – nach gar nichts. Vor allem nicht nach Pilz. Und schon gar nicht nach Wildpilzen – also ganz unterschiedlich und wild 😉
Dabei ist es (genau wie bei Gemüse) eigentlich kein Problem Geschmack in die Pilze zu bringen. Es kommt halt auf die Aufzucht, Lagerung und Zubereitung an. Und Liebe.
In einem verwunschenen, weitläufigen Hof in Heeren, einem Ortsteil von Stendal, leben Manuela und Vasyl Shvedyk ihren ganz eigenen Traum von Pilzen unter dem Motto: „Traue keinem Ort, an dem kein Wildkraut wächst“.
Elf Bio-Edelpilzsorten stehen bei Bioedelpilz Altmark auf dem Programm und in nahezu jedem Raum (ich war nicht überall drin – daher kann ich es nicht abschließend beurteilen – doch ich bin ziemlich sicher). Dabei gibt es hier wirklich viel Platz… aber eben auch sehr viele Pilze, Pilzsorten und Pilzprodukte 🙂
Große Seitlings-Vielfalt
Die Seitlinge unterscheiden sich nicht nur in der Farbe, sondern auch im Geschmack und damit natürlich in den Einsatzmöglichkeiten. Alle wachsen auf Biosubstrat in dicken Bündeln, werden von Hand und ohne chemische oder andere künstliche Zusätze produziert. Sie sind knackfrisch, prima zu braten, aber auch roh (was viele nicht wissen) extrem fein.
Limonenseitlinge
Farbe und Name verraten es schon – dieser Seitling hat einen leichten Zitruseinfluß. Daher schmeckt er natürlich besonders gut zu Fisch oder hellem Fleisch. Oder in einem Salat. Um den Geschmack zu verstärken, kann man noch ein paar Spritzer Zitrone/Limone zugeben.
Rosenseitlinge
Der Rosenseitling haut in Punkto Farbe und Geschmack noch ein wenig mehr drauf. Er erinnert mich optisch an Reizker, ich bin gespannt, ob das geschmacklich hinkommt und werde es euch berichten.
Kräuterseitlinge
Der Kräuterseitling ist eigentlich ein „Königsausternseitling“ – ihr seht schon, die gehören also alle irgendwie zusammen. Er ist besonders groß und dick. Ich nehme ihn gerne mal als Steinpilzersatz, weil er sehr fest ist (und bleibt) und wirklich auch nach was schmeckt (wenn man denn einen gescheiten Pilz gekauft hat). Wobei Steinpilz als König unter den Pilzen und „Herrenpilz“ natürlich das Zepter geschmacklich nicht aus der Hand legt.
Dies ist nur ein Teil der gezüchteten Pilze, die man im Hofladen, Onlineshop oder in der „Markthalle 9“, Berlin kaufen kann. Den Transport nach Berlin übernimmt die Chefin selbst – sicher nicht, weil sie Langeweile hat – aber irgendwie muss sich so ein arbeitsintensives Hobby ja auch rechnen.
Fauler Samstag
Immer am 1. Samstag im Monat ist hier der „Faule Samstag“. Da darf die Küche daheim kalt bleiben, denn es gibt warme Pilzspeisen zum Mitnehmen oder hier essen. Spezialitäten des Hauses: Pilzpfanne, Pilzbratwurst, Pilznudeln oder die gerade mit dem kulinarischen Stern prämierte Antipasti aus gegrillten Bioedelpilzen mit Öl und Kräutern.
Tja, wenn die Altmark nicht so weit weg und das Pilze sammeln an sich nicht so eine wunderbare Beschäftigung wäre – dann könnte ich hier glatt häufiger ordern.
Weitere Geschichten aus der Altmark:
- Blühende Landschaft I – die Altmark
- Blühende Landschaft II – die Altmark
- Wo Mikroalgen auf Einhörner treffen
Auf Einladung der IMG – Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH* bin ich zwei Tage in der Altmark unterwegs gewesen.
Mein besondere Dank geht an Frauke Flenker-Manthey und ihr Expertenteam.
*Werbung
Dieser Artikel enthält Links zu Produzenten und persönliche Empfehlungen von mir. Ich bin dafür zwar weder bezahlt noch beauftragt worden, doch da ich Produkte/Produzenten nenne, muss ich dies als Werbung kennzeichnen.
2 Antworten auf „Edelpilze statt Schwammerl in der Altmark“