Wölfe in der Göhrde – unterwegs mit Kenny und Alva

Wölfe sind mehr als „große Verwandte“ unserer Hunde, Wölfe sind geheimnisvoll, unsichtbar und wild. In Märchen sind sie gerissen, hinterhältig und brutal. Und obwohl sie hier seit jeher heimisch sind, waren sie über viele Jahrzehnte verschwunden. „Ausgerottet“ – wobei ich wirklich nicht nachvollziehen kann, warum darauf irgendjemand stolz sein konnte oder kann…

Spurensuche

Ausschau nach Wölfen
Von kurz vor 5 bis kurz vor 8 hat sich kein Wolf blicken lassen

Wir haben natürlich keinen Wolf gesehen, weder in den Morgenstunden, noch beim Rundgang am Nachmittag. Sie hingegen, habe uns bestimmt gesehen. So unauffällig wie Wölfe bewegen wir uns schließlich nicht im Wald.

Wolfsberater Kenny Kenner hat uns auf der Wanderung durch die Dübbekolder Haidberge in der Göhrde von Losung zu Losung geführt. Immer schön auf den Forst-Wirtschaftswegen (denn auch Wölfe wissen den Vorteil gerader, freier Wege zu schätzen) – für jeden gut sichtbar und riechbar.

Reste einer Wolfslosung
Reste einer Wolfslosung – wenn man weiß, wonach man suchen muss, findet man auch was

Von älter und für uns wirklich nicht als solche erkennbar, bis zu einem recht frischen Haufen. Da leuchtet des Wolfsberaters Miene 😉

Große Wolfslosung

Zur Dokumentation macht er zwei Fotos – von oben und um die „Lage in der Landschaft“ aufzuzeigen. Vermisst, begutachtet und nimmt zweierlei Proben – einmal zur genetischen Bestimmungen und die andere, um zu schauen, was der Wolf gefressen hat.

Die Proben schickt er nach Hannover. Sammelt immer 10 bis 15, um Porto zu sparen. Dafür hat er inzwischen einen eigenen kleinen Tiefkühler, denn seltsamerweise war seine Familie von den Tütchen und ihrem Inhalt nicht begeistert. Tiefgefroren gehen sie nun auf die Reise – „…man lernt ja dazu,“ sagt Kenny. 🙂

Mit den Ergebnissen rechnet er im Herbst. Die Priorität des Monitorings in Niedersachsen ist nicht hoch. Da sind andere Bundesländer weiter.

Was lernen wir an diesem Nachmittag nicht alles über Wolfsschiss: nur der Rüde und die Fähe dürfen so markieren, je dunkler, desto größer das erbeutete/gefressene Tier (weil die Organe durch das Blut die Wurst schwarz färben), Käfer zersetzen die Losung Ruckzuck – und sie riecht nach Wolf. Stinkt definitiv nicht wie Hundescheiße. 

Das Göhrde-Rudel

Zu Zeiten der DDR kamen nicht nur die Menschen aus dem Osten nicht mehr her, sondern auch die Wölfe die aus Polen nachrückten blieben in den Grenzanlagen – und auch im Gebiet davor – hängen. Der Abschuss war die übliche Vorgehensweise.

Inzwischen gibt es wohl wieder zwanzig Rudel in Niedersachsen, drei im Wendland – eines davon seit 2013 in der Göhrde. 

Wolfs-Highway

300 Quadratkilometer groß ist ihr Gebiet derzeit – „weil es keine Nachbarrudel gibt,“ erklärt Kenny. Denn dann würden sich die Wölfe gegenseitig in die Schranken weisen. 

Und anders als früher aus der Beobachtung eingesperrter Wölfe geschlossen, sind es kleine Familienverbände, keine großen Trupps. Ein Rüde und eine Fähe mit den „aktuellen Welpen“, den Jährlingen (also dem vorhergehenden Wurf, der nun bei der Aufzucht hilft) und ab und an mit ein, zwei älteren Jungwölfen. In der Regel ziehen die Jungen mit 12-22 Monaten weiter, um sich ein eigenes Gebiet und eine Partnerin/einen Partner zu suchen. 

Die Sterblichkeit bei Wölfen ist hoch oder wie Kenny es sagt „Wölfe leben ein gefährliches Leben“. Nur die Hälfte der Welpen kommt durch. Wölfe werden zwischen 4-6 Jahre alt, dabei könnten sie eigentlich 12-16 werden. Die meisten werden überfahren, viele aber auch getötet. Obwohl sie den höchsten Schutzstatus haben und das Töten mit Gefängnis bestraft werden kann. Könnte – denn so weit ist es noch nie gekommen…

Das Monitoringjahr der Wölfe läuft jeweils vom 1. Mai eines Jahres bis zum 30. April des darauffolgenden Jahres. Dies entspricht einem biologischen Wolfsjahr, von der Geburt der Welpen im Mai bis zum Ende ihres ersten Lebensjahres. 

Kenny ist schon gespannt, ob „sein Rudel“ auch in diesem Jahr einige Welpen aufziehen kann. 2016 waren es sechs, 2017 neun und 2018 fünf. Bislang konnten aber nur zwei von diesen Göhrder Welpen lebend ausgemacht werden. Fünf sind nachweislich tot.

Kenny Kenner – Wolfsberater 

Kenny Kenner - Wolfsberater
Kenny Kenner – Wolfsberater in der Göhrde

Wölfe sind seine Leidenschaft – seit Kindestagen. „Wenn ein Wolf auftauchte, kam irgendwie Abenteuer ins beschauliche Wendland“. Daher hat Kenny Kenner die Rückkehr der Wölfe zum Anlass genommen, um sich im Wildbiologischen Büro Lupus in der Lausitz zum Wolfsberater ausbilden zu lassen. Sein Aufgabengebiet umfasst Monitoring, Öffentlichkeitsarbeit und Hilfe bei Rissen von Nutztieren.

Er ist ein stiller Mann, der jedes Wort abwägt, ruhig und konzentriert Fakten präsentiert. Sein Markenzeichen sind die rote Jack Wolfskin-Jacke (was sonst?), ein regenfester Hut und seine Hündin Alva, die mit ruhiger Gelassenheit auf all die Spuren und Gerüche reagiert. Für sie ist das Alltag. Aber die Wölfe nehmen sie durchaus wahr, meint Kenny. Schließlich wurde sein Auto, das natürlich nach Alva duftet (also in Wolfsaugen ihres ist), schon markiert.

Alva, immer an Kennys Seite – kein Wolf 😉

Wölfe in Deutschland

In Deutschland sind derzeit 60 Rudel, 3 Paare und 6 Einzelwölfe bestätigt (Juni 2019). Die meisten Wölfe leben in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Niedersachsen, die ersten kamen aus Polen. Bis in den Süden haben es erst einige wenige geschafft.

„Solange es wolfsfreie Gebiete gibt, wird der Wolf sich ausbreiten,“ glaubt Kenny und gibt damit die Expertenmeinung wieder.

Die Statistik belegt, dass nur rund 1 Prozent der Beute aus Nutztieren besteht – der Hauptanteil sind Rehe und Wildschweine. Aber die Schäfer und Bauern haben keine Erfahrung mit Wölfen – zu lange waren sie weg. Jetzt muss viel Aufklärung geleistet werden, um eine Koexistenz zu gewährleisten und anzuerkennen, dass der Wolf im ökologischen Gleichgewicht eine entscheidende Rolle spielt. 

Wer mehr über Wölfe erfahren möchte, findet bei DBBW (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf – da hat sich ja wieder einen textlich verausgabt – aber lasst euch nicht täuschen, die Infos sind gut!), GZSDW (Gesellschaft zum Schutz der Wölfe – da findet ihr auch einige Downloadangebote) oder auch Wolfsschutz Deutschland (geht doch!) allerhand Fakten.

Weiter Geschichten aus dem Wendland:

Mit freundlicher Unterstützung von TourismusMarketing Niedersachsen GmbH* , und an Laura Selenz und das Marketingbüro Wendland.Elbe*, die mich zu einer Pressereise ins Wendland eingeladen haben.

Mein besonderer Dank geht an Barbara und Kenny Kenner vom Biohotel Kenners Landlust*, die immer ein offenes Ohr und coole Tipps für uns hatten. 

Kenners Biohotel LandLust

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Dieser Artikel enthält Links zu Produzenten und persönliche Empfehlungen von mir. Ich bin dafür weder bezahlt noch beauftragt worden, doch da ich Produkte nenne, kennzeichne ich es als Werbung

5 Antworten auf „Wölfe in der Göhrde – unterwegs mit Kenny und Alva“

  1. Sehr schön geschriebener Artikel. Ich freue mich immer wieder über seriöse pro Wolf Artikel. Mit Kenny Kenner und Hund Alva ist auch der richtige Wolfsbeauftragte gefunden.

  2. Pingback: Homepage
  3. Heute habe ich auch erstmals zwei Wölfe in der Göhrde gesehen. Spielten auf dem Weg und und sind gleich geflüchtet.

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