„Deutschland ist Trüffelland“, behauptet Fabian Sievers aus Alfeld. Obwohl Trüffel hierzulande als äußerst selten und gefährdet gelten und daher nicht gesammelt werden dürfen. Doch im 18./19. und 20. Jahrhundert war die „Trüffeljagd“ ein durchaus einträgliches Geschäft. Und an den Grundlagen für die Trüffel hat sich nichts geändert – der Boden, die Bäume, das Wetter – alles noch da. Nur das Wissen ist verloren gegangen. Im gesamten Bundesgebiet.
Trüffel in Deutschland
Seit 1970 stehen Trüffel in Deutschland auf der Roten Liste – gelten als gefährdet und dürfen in der Wildnis nicht gesammelt werden.
Wobei ein Blick auf die Liste zeigt, dass das so pauschal eigentlich gar nicht stimmt. Die Einzelbewertungen, die sich übrigens auf Fachliteratur von 2016 beziehen, haben eine enorme Spanne. Da geht es von „vom Aussterben bedroht“ – Tuber macrosporum (Großsporiger Trüffel) über viele Sorten, die als „gefährdet“ eingestuft sind – z.B. Tuber aestivum (Sommertrüffel) weiter zu „Gefährdung unbekannten Ausmasses“ sowie „Daten unzureichend“ (was auch immer das nun wirklich besagt) – Tuber melanosporum (Perigord-Trüffel) bis hin zur „Vorwarnliste“ – Tuber excavatum (Olivbraune Hohltrüffel).
Doch auch bei anderen Pilzarten sieht es nicht rosig aus. So finden sich unter anderem bei „vom Aussterben bedroht“ – der Schneehäutige Champignon, der Moor-Hallimasch und der Blutrote Hexenröhrling.
Aber wer durch Wiesen und Wälder streift, sucht zumeist ihm bekannte Pilze und achten gar nicht so sehr auf die Systematik der Biologie, sondern sammelt, was er findet und vermeintlich identifizieren kann 😉
Leinebergland – und Trüffel in Alfeld
Im südlichen Niedersachsen zwischen Göttingen, Hannover und Braunschweig und unweit von Hildesheim liegt das sogenannte Leinebergland. Der Fluss Leine ist Namensgeber und Bindeglied zwischen Alfeld, Elze, Freden, Lamspringe sowie der sogenannten Samtgemeinde Leinebergland mit Gronau, Duingen und Eime. Eine Samtgemeinde ist ein Zusammenschluss verschiedener Gemeinden, wobei alle ihre Selbstständigkeit nicht aufgeben.
Geologisch ist das Leinebergland ein kleinteiliges Mosaik aus Bruchschollen von Muschelkalk und Lössauflagen. Das beeinflusst die Artenzusammensetzung der Bäume, Waldbodenpflanzen und natürlich auch der Pilze. Fabian Sievers macht eine möglichst hohe Biodiversität, also eine hohe Anzahl unterschiedlicher Pflanzen an einem Standort, als optimale Grundlage für Trüffel aus.
Um Alfeld gab es Anfang des 20. Jahrhunderts große Vorkommen an Trüffel und durchaus regen Handel. Das belegen alte Handelsbücher und Pachtvermerke. Wie eine Lieferung von 1.000 Kilo an den französischen Hof vor 150 Jahren.
Woopee
Lagotto Romagnolo, ein italienischer Wasserhund der Romangna ist die quirlige Trüffelspürnase von Fabian Sievers. Typisch für diese Hunde, die früher zur Jagd in sumpfigem Gelände eingesetzt wurden, sind das lockige, leicht ölige Fell und eine enorme Ausdauer. Wo andere Hunde bei der anstrengenden Sucharbeit eine Pause brauchen, schießt Woopee weiter zum nächsten Baum oder Busch. Immer ihrer guten Nase folgend.
Etwa 200 Millionen Riechzellen hat Woopees Nase. Fabian besitzt im Vergleich dazu nur etwa ein Viertel ihrer Geruchssensoren. Und da die kleine Hundedame den Geruch auch räumlich einordnen kann, kann sie die Trüffel im Boden genau orten.
Woopee hat schon als Welpe gelernt Trüffel zu erschnüffeln und stolperte mit 6 Monaten über ihren ersten wilden Fruchtkörper.
Es sind allein die Trüffelhunde – die Rasse spielt übrigens eine untergeordnete, bis gar keine Rolle – die Trüffelanbau und -suche zum Erfolgen führen. Da die Früchte der Trüffel unter der Erde wachsen, können sie zur Vermehrung nicht auf den Wind setzen. Sie locken vielmehr durch ihren Duft Tiere an, die sie fressen und ausscheiden. Je reifer der Trüffel, desto stärker sein Aroma und desto größer die Wahrscheinlichkeit, gefunden zu werden.
Trüffelplantagen in Deutschland
Trüffelforscher haben den heimischen Burgundertrüffel und auch andere Arten deutschlandweit nachgewiesen. Allein in Niedersachsen sind inzwischen zweitausend Fundstellen belegt.
Doch da das Suchen untersagt ist, können nur der gezielte Anbauen und die Erweiterung von Trüffelplantagen helfen. Die Büsche und Bäume – auch hier setzt Fabian Sievers auf möglichst große Vielfalt – werden im Gewächshaus mit Trüffelsporen geimpft und dann ausgepflanzt. Rotbuche, Haselnuss, Hainbuche, Stieleiche, Linde, Schwarzkiefer, Marone, Eibe, Weißdorn, Felsenbirne, Wildkirsche oder konventionellere Obstbäume sind keine Konkurrenz, sondern alle miteinander durchaus geeignet. Da können sich Interessierte also schon ein Wäldchen nach eigenem Gusto zusammensetzen.
Auf seiner eigenen Plantage stehen auf einem Hektar rund 800 Bäume mit Begleitgehölzen. Vor zehn Jahren hat er sie angepflanzt und nach 6 Jahren fand Woopee dort die ersten Trüffel. Doch inzwischen ist es weniger das Trüffelsammeln, das ihn antreibt: er will das Leinebergland zu einem Trüffelzentrum* machen. Will Deutschland als Trüffelland wiederbeleben.
Dazu impft er heimische Bäume in seiner Baumschule, berät und unterstützt beim eigenen Trüffelprojekt und es ist ihm gelungen, dass der Trüffelanbau in Niedersachsen als „ordnungsgemäße Landwirtschaft“, als ökologische Dauerkultur anerkannt und damit auch förderungsfähig ist. Das ist in vielen anderen Bundesländern leider (noch) nicht der Fall.
Burgundertrüffel (Tuber aestivum, var. uncinatum)
Der heimische Trüffel steht in der kulinarischen Trüffel-Rangordnung offiziell auf Platz drei. Früher unterschied man zwischen Sommer- und Herbst-, bzw. korrekterweise Bugunderrüffel, doch molekularbiologische Untersuchungen haben nachgewiesen, dass es sich um ein und denselben Pilz handelt. Dieser hat also eine Reifezeit als „Sommertrüffel – Tuber aestivum“ von Juni bis September und als „Herbsttrüffel – Tuber uncinatum“ von Oktober bis Februar.
Und wer wissen will, was er mit den Trüffeln anstellen soll … hier geht es zu „Allerlei mit und über Trüffel“.
Mit freundlicher Unterstützung von TourismusMarketing Niedersachsen GmbH*, die mich zu einer Pressereise nach Niedersachsen eingeladen hat.
Mein besonderer Dank geht an Renate Rebmann, die es immer wieder versteht, mit unerwarteten kulinarische Entdeckungen in Niedersachsen aufzuwarten. Und an ihren charmanten Mitarbeiter Yannick Herrmann.
Ein Highlight: Jörg „Ballo“ Ballwanz* kutschierte uns im entzückenden Panoramabus Setra-100, Baujahr 1968, entspannt und überaus stilvoll von Termin zu Termin. Danke auch dafür.
*Werbung
Dieser Artikel enthält Links zu Produzenten und persönliche Empfehlungen von mir. Ich bin dafür zwar weder bezahlt noch beauftragt worden, doch da ich Produkte nenne, kennzeichne ich diese hiermit als Werbung.
Nachtrag September 2023
Es ist ein gutes Trüffeljahr im Leinebergland und Fabian bietet „Trüffeln schnüffeln“ an – also einen Ausflug in seine Plantage mit Trüffelhund und Kostprobe.
https://leinebergland-trueffel.de/kurse-und-termine/