Da ich zunächst mit Katze und Hühnern allein hier lebe, beschränken sich meine Gartenaktivitäten auf die Beobachtungen dessen, was sich hier so im Laufe des Gartenjahrs zeigt. Und ich hoffe natürlich, dass meine Idee vom Naturgarten hier schon gut verwurzelt ist. Aus Mangel an Beeten pflanze ich sehr viel in Töpfen an und natürlich plane ich heimlich, was wann wo und wie verwirklicht werden soll.
Naturgarten – unser Ziel
Nein – wir sind nicht (nur) zu faul zum Mähen und Jäten! Und sehr froh, dass sich im Laufe der letzten Jahrzehnte langsam ein Umdenken einstellt: weg von akkuraten englischen Rasenflächen, Bodenversiegelung durch Terrassen, Parkplätze und Wege und möglichst exotische Blumen und Pflanzen, damit die Nachbarn neidisch über den Zaun (auch so ein Thema) blicken.
Unser aller Lebensraum braucht Chaos und Vielfalt. Ausgewogene Ökosystem regulieren, ernähren und regenerieren sich selbst und benötigen uns Menschen (und die vermeintliche Ordnung) nicht. Im besten Sinne. Ein Naturgarten leistet einen Beitrag zu mehr Artenvielfalt, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Oft durch Nichtstun.
Und das Beste daran: es ist wunderschön, ein Ort um sich einfach wohl zu fühlen. Hühner und Katzen sind da übrigens die perfekten Vorbilder – sie haben alle Zeit der Welt und nutzen diese. Indem sie sie einfach verstreichen lassen. Da kann man viel lernen.
Erste Eindrücke 2022
Ja, wir liegen auf rund 580 Metern und der Frühling muss ziemlich steil bergauf gehen, um uns zu erreichen. Da scheint ihm unterwegs doch immer mal die Puste auszugehen. Jedenfalls warte ich hier ziemlich lang, bis sich was tut und es ein wenig grüner und bunter wird.
Der Schnee war da ein gnädigerer Anblick und an den vielen Nebel, der hier weiß wabert, werde ich mich erst gewöhnen müssen. Ich muss immer an Nebelheim denken (da merkt man natürlich wieder klar den Walter Moers Einschlag).
Erste Hoffnungsschimmer
Ende März ist es, als der Huflattich Erbarmen mit mir hat und erste gelbe Flecken auf den Boden zaubert. Seine Blätter hatte ich im Sommer glatt übersehen. Wie so vieles, dass nun zum Vorschein kommt und mich glücklich macht.
Ab Mitte April geht es dann endlich richtig los. Alle drängeln an die Sonne und ich stehe bewundernd am Rand.
Es ist ein Meer von Storchenschnabel (Wald, Sumpf – was weiß denn ich), Butterblumen, Buschwindröschen, Taubnesseln, Milchstern, Gänseblümchen und Vergissmeinnicht. Dazu Veilchen der verschieden abgestuften Violett- bis Weißvarianten.
Die Blätter des Storchenschnabels sind mit bei der Besichtigung schon aufgefallen, aber jetzt sehe ich, dass hier tatsächlich alles voll ist. Der ganze Garten blüht!
Die nächste Blührunde übernehmen dann Löwenzahn, Wiesenschaumkraut und Apfel. Dazu Flieder und natürlich Holunderbüsche, die in allen Ecken stehen. Faszinierend sind auch die vielen Hecken, die blühen und bei denen ich natürlich schaue, ob da nichts was Beeriges herauskommt.
Überall sprießen Brennnesseln. Erstmals wird mir klar, wie unterschiedlich die einzelnen Brennnesselarten aussehen. Das wird sicher nochmal einen zweiten Blick wert sein 😉
Erste Beete
Mein Mann hat ein Einsehen und setzt mir tatsächlich ein erstes Beet. Frei nach Marie von Wurzelwerk arbeiten wir mit Pappe, Kompost und Holzschnitzel. Und ganz unserer neuen Heimat verpflichtet, mit dem, was wir haben. In diesem Fall: eine alte Regenrinne, die als Unkrautschwelle eingebaut wird. Der Nachbar kam gleich mit noch einer ums Eck. Nachbarschaftshilfe wird hier nämlich großgeschrieben.
Die Beete habe ich für Bohnen, Erbsen, Lauch – aber auch bunte Beten und Salat vorgesehen. Kartoffeln bleiben weg, Tomaten, Chili, Paprika und Gurken müssen erstmal in Töpfen bleiben.
Magerwiese
Völlig übersehen hatte ich bei den ersten Runden die Magerwiese hinter der Scheune. Eigentlich hatten wir hier an eine Feuerstelle gedacht, denn es ist wie ein Rondell mit natürlichem Gefälle. Doch hier tummelt sich derartig viel – das muss so erhalten bleiben. Die Feuerstelle muss weiterziehen.
Denn vor allem die (der?) kleinköpfige Pippau lockt hier alles an. Und hört nicht auf zu blühen. Damit die Wiese nicht aufgemulcht wird, müssen wir mal mähen. Tun dies aber ganz bewusst Reihe für Reihe und freuen uns tagtäglich am Gewimmel von Schmetterlingen und Insekten.
Dahinter ist bis zur Itz eine große Stelle mit Gänsefingerkraut und Walderdbeeren.
Malvenflut
Völlig überrascht bin ich auch von den Malven, die in großen Mengen blühen. Immer und immer wieder setzen sie nach, den ganzen Sommer. Die Feuerwanzen lieben sie – vor allem aber ihre abgeblühten Samenstände. Die sind voll – auch von anderen Insekten.
Da traue ich mich kaum Samen zu sammeln und vertraue darauf, dass die sich selbst im Garten weiter verteilen. Denn genauso sollte es ja sein.
Topf, Töpfe, mein Garten
Ja – schön ist nochmal anders. Aber ich bin mega glücklich. Da ich mir nicht sicher war, wie spielfreudig die einzelnen Sorten sind, habe ich natürlich viel zu viel vorgezogen und es dann nicht übers Herz gebracht, die kleinen Pflänzchen, die sich da wo wacker durchgekämpft haben, einfach zu killen. Lacht nicht – dasselbe Problem habe ich mit Sauerteig, der übrig ist. Ich bin da nicht ganz dicht.
Einerseits sind diese Töpfe natürlich ein Segen: immerhin kann ich ein paar Dinge zum Leben erwecken und habe damit kleine Erfolgserlebnisse. Die sind in so einer Baustelle wirklich dringend nötig. Andererseits ist es ein wirklich, wirklich heißer und trockener Sommer und ich gehe jeden Abend rund 15 mal mit zwei Gießkannen zum Brunnen hinterm Haus (ja – das ist natürlich Luxus) und schleppe Wasser an. Die zwei Regentonnen, die wir haben, sind da längst leer und die Regenwasserzisterne, die wir planen, ist noch ein Wunsch in weiter Ferne. Andererseits treffe ich am Brunnen Nachbarinnen und so ist es natürlich auch ein sozialer Gewinn, diesen Weg täglich zu gehen.
Inspiration Naturgarten
Voller Neid habe ich bislang auf diejenigen geschaut, die schon länger der Liebe zur Wildheit frönen und komme dann mit hunderten von Fotos von dort zurück. Nun dienen sie als Inspiration und zeigen, wohin die Reise geht:
Mellis Garten
Na klar, Blüten sind Mellis Kapital, schließlich trocknet und verarbeitet sie diese professionell. Aber gerade deshalb finde ich es so außergewöhnlich, wie sie alles „wild“ wachsen lässt. Und ihre Kombination mit dem Gemüse will ich unbedingt nachmachen! ich suche nach meiner eigenen Mischung von Pflanzen und lasse mich da von Permakultur und Mischpflanzenfolge inspirieren.
Reinhards Garten
Wenn ein Gemüsegärtner wie Reinhard Lühring die Wildheit pflegt, hat das viel zu sagen. Und als er erzählt, dass er kein Problem mit dem Kohlweißling hat (bei diesen Mengen von Grünkohl), da merkst du: ja – hier läuft was richtig!